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Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Bezug auf psychische Erkrankung: Wichtige Grundlagen

Wie bei der körperlichen Gesundheit gilt: Im Rahmen der Fürsorgepflicht muss der Unternehmer seine Angestellten auch vor psychischer Erkrankung schützen. War dieser gesundheitliche Aspekt bisher in vielen Betrieben noch kein Thema, erhielt er im Laufe der letzten Jahre mehr Aufmerksamkeit. Immer mehr Unternehmen bekommen die Auswirkungen der Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen der Beschäftigten zu spüren. Die DAK-Gesundheitsstudie 2022 ergab, dass neurotische- und Belastungsstörungen, wie z. B. Ängste sowie körperliche Beschwerden ohne klare physiologische Ursachen mit 51,4 Prozent den größten Anteil an allen Fehltagen durch psychische Erkrankungen ausmachen. Darauf folgen affektive Störungen wie Depressionen mit 40,6 Prozent.

In unserem Beitrag widmen wir uns den Auswirkungen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Dabei betrachten wir die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers genauer. Wussten Sie, dass auch hier die psychische Gefährdungsbeurteilung ein verpflichtendes Instrument für die Verantwortlichen ist? Darum erfahren Sie in unserem Artikel grundlegende Fakten. Wollen Sie sich zusätzlich noch genauer über digitale Gefährdungsbeurteilungen informieren? Dann lesen Sie gern unser themenbezogenes Whitepaper

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Psychische Belastungen am Arbeitsplatz werden in der Fürsorgepflicht immer bedeutender

Im Vergleich zu körperlichen Erkrankungen werden psychische Erkrankungen weitestgehend tabuisiert und Betroffene stigmatisiert. Aus Angst vor Ausgrenzung oder Jobverlust verschweigen Erkrankte ihre Probleme oftmals. Dies führt dazu, dass die genauen Ursachen der gestiegenen Ausfallzeiten der Beschäftigten den Arbeitgebern nicht bewusst sind.

Von 2012 bis 2022 sind die Fehltage von Arbeitnehmern aufgrund psychischer Erkrankungen um 48 % gestiegen.

Die Grafik stellt die Ergebnisse des aktuellen Psychreports der DAK-Gesundheit dar. Dabei zeigt sich, dass die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen innerhalb von 10 Jahren um ganze 48 Prozent gestiegen sind.

Aber warum werden Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen immer präsenter? Um diese Frage zu beantworten, muss das heutige Berufsleben betrachtet werden. Unsere Arbeitswelt ist durch den digitalen Wandel, die Globalisierung und die weltweite Vernetzung von Produktionsabläufen vielschichtiger und schnelllebiger geworden. Unternehmen und deren Mitarbeitende müssen immer agiler, flexibler und anpassungsfähiger sein, um marktwirtschaftliche Schwankungen und plötzliche Krisen bewältigen zu können. Dadurch
stehen Arbeitnehmer steigenden Anforderungen gegenüber. Die Aufgaben im beruflichen Alltag werden immer komplexer. Die Gesundheit steht dabei häufig an hinterster Stelle und auch die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben werden immer dünner.

Dazu kommen berufliche Faktoren, die die psychische Gesundheit zusätzlich beeinflussen können. Darunter fallen z. B. fehlende Entwicklungsmöglichkeiten, mangelnde Wertschätzung, dauernde Erreichbarkeit oder Angst vor Jobverlust. Doch auch die Arbeitsumgebung wirkt auf das psychische Wohlbefinden ein. Enge Raumverhältnisse, ungeeignete Lichtbedingungen, Lärm, Kälte oder Hitze können ebenfalls negativen Stress bewirken.

Doch was sind die Folgen von dauerhaft psychischen Belastungen am Arbeitsplatz? Wie konkret sie sich auf Menschen auswirken, kann nicht verallgemeinert werden. Für das individuelle Stresserleben sind innere Faktoren wie persönliche Ressourcen und Möglichkeiten der Bewältigung relevant. Sie können die Belastungen entweder ausgleichen und dadurch in ihren Folgen mindern oder das Gegenteil bewirken: Stress verursachen und Krankheiten hervorrufen. Erzeugt die Belastung einen Leidensdruck, steigt das Risiko an Depressionen oder Burnout zu erkranken.

Persönliche Stressverstärker in der Arbeitswelt:

  • Die eigenen Leistungsgrenzen ignorieren oder nicht akzeptieren
  • Stark nach Perfektion streben
  • Alles allein machen bzw. kontrollieren wollen
  • Hilfe nicht annehmen oder einfordern können
Fürsorgepflicht: Der Arbeitgeber muss die psychische Erkrankung ernst nehmen.
Fürsorgepflicht: Der Arbeitgeber muss die psychische Erkrankung ernst nehmen.

Persönliche Stressverstärker in der Arbeitswelt:

  • Die eigenen Leistungsgrenzen ignorieren oder nicht akzeptieren
  • Stark nach Perfektion streben
  • Alles allein machen bzw. kontrollieren wollen
  • Hilfe nicht annehmen oder einfordern können

Sowohl die Entwicklung der Fehlzeiten als auch die möglichen schwerwiegenden Konsequenzen für Unternehmen zeigen, dass die Förderung psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz wichtig ist. Besonders alarmierend ist für Unternehmer die steigende Tendenz.

Psychische Erkrankungen: Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Arbeitnehmer verbringen einen großen Lebensabschnitt und täglich viel Zeit bei der Arbeit. Die Belastungen im Job sind zwar nicht der einzige Grund für die Entstehung von psychischen Erkrankungen, doch wirken sie wesentlich auf die Gesundheit ein. Bei Arbeitskollegen und Führungskräften herrschen oft auch Unsicherheiten im Umgang mit erkrankten Mitarbeitenden. Stellen Beschäftigte bspw. spürbare Verhaltensänderungen eines Kollegen fest, wissen sie meist nicht, ob und wie sie das Gespräch suchen sollen. Gerade deswegen ist die Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz eine gemeinsame Aufgabe mit vielen Beteiligten. Doch der Arbeitgeber trägt hierbei besondere Verantwortung. Grund dafür ist dessen Fürsorgepflicht. Aber was genau verbirgt sich dahinter?

Grundsätzlich haben in jedem Arbeitsverhältnis beide Vertragsparteien verschiedene Pflichten. Der Arbeitnehmer hat seine vertraglich festgelegte Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber im Gegenzug das Entgelt zu zahlen. Doch darüber hinaus gibt es noch Nebenpflichten, die das Arbeitsverhältnis genauer gestalten. Ein grundlegender Bestandteil ist die Fürsorgepflicht. Kurz und knapp gesagt: Der Unternehmer muss im Rahmen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit die Gesundheit, Persönlichkeit und die Rechte aller Beschäftigten schützen.

Die Fürsorgepflicht bestimmt sich aus der allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmung des § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Der Arbeitgeber darf seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis nur unter Berücksichtigung der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitnehmers ausüben. Des Weiteren verpflichtet § 618 BGB Arbeitgeber, die Arbeit so zu gestalten, dass alle Arbeitnehmer so weit wie möglich vor Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind.

In Bezug auf psychische Erkrankung heißt das, der Unternehmer muss u. a. dafür sorgen, dass seine Beschäftigten vor Überanstrengung und Überforderung geschützt sind. Andernfalls kann die Arbeit psychische Erkrankungen wie Burnout begünstigen, was zu längerfristigen Ausfällen führen kann. Die Folgen von Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz dürfen Betriebe nicht unterschätzen. Darum beinhaltet die Fürsorgepflicht auch den Schutz der Persönlichkeit der Mitarbeitenden. Interessant zu wissen ist, dass diese durch verschiedene gesetzliche Regelungen gestaltet wird (Auszug):

  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
  • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
  • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
  • Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
  • Unfallverhütungsvorschriften des Unfallversicherungsträgers (Unfallverhütungsvorschrift: § 15, 21 SGB VII)

Sie alle tragen zum Schutz des allgemeinen Wohles der Arbeitnehmer bei.

Wichtig:

Die Gesetzgebung hat bereits im Jahr 2013 auf die Prävention von psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz reagiert. So müssen Arbeitgeber gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in der verpflichtenden Gefährdungsbeurteilung auch die Gefahren psychischer Belastungen feststellen. Welche konkreten Inhalte dabei vorhanden sein müssen, ist nicht genau definiert.

Dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Bezug auf psychische Erkrankung von großer Bedeutung ist, verdeutlichen folgende negative Auswirkungen auf den Arbeitsalltag:

  • Die Motivation der Mitarbeitenden sinkt und damit verringert sich auch die Produktivität im Betrieb.
  • Die Attraktivität als Unternehmer verschlechtert sich, wodurch sich die Fluktuationsrate erhöht.
  • Die häufigen Fehlzeiten der Beschäftigten erzeugen einen Teufelskreis: Die anwesenden Mitarbeitenden werden mehr belastet, wodurch sich neue psychische Belastungsfaktoren ergeben und weitere Ausfälle entstehen können.

Verletzt er seine Fürsorgepflicht vorsätzlich, können schwerwiegende Konsequenzen auf ihn zukommen. Ein dadurch entstandener Arbeitsunfall wird teuer: Der geschädigte Arbeitnehmer hat einen Schadensersatzanspruch. Nicht nur das — generell muss der Arbeitgeber bei Verletzung der Fürsorgepflicht mit einer Anzeige bei der zuständigen Aufsichtsbehörde seitens des Arbeitnehmers rechnen. Auch die Zurückbehaltung der Arbeitsleistung seiner Beschäftigten droht ihm. Außerdem kann er seine Angestellten durch Kündigung verlieren. All diese Auswirkungen greifen die Wettbewerbsfähigkeit am Markt an und können zu finanziellen Einbußen führen.

Um sich vor solchen Konsequenzen zu schützen, sollten Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Fürsorgepflicht ergreifen. Dazu müssen sie sich mit aktuellen rechtlichen Vorgaben auskennen, auf welchen die passenden Schutzmaßnahmen aufbauen. Hierfür kommt die Gefährdungsbeurteilung zum Einsatz. Mit Hilfe dieser lassen sich potenzielle Belastungen am Arbeitsplatz evaluieren. Aus den Ergebnissen können Unternehmer passende Präventionsmaßnahmen ableiten. 

Gefährdungsbeurteilung: Arbeitsbedingungen in Bezug auf psychische Belastungen untersuchen

Psychische Störungen können jeden treffen. Leistungsstarke und verantwortungsvolle Mitarbeitende sind besonders gefährdet. Sie haben selbst unter erhöhtem Leistungsdruck den Drang, ihre Aufgaben perfekt zu absolvieren. Dabei merken sie meist den Stress nicht, der die mentale Gesundheit beeinträchtigt. Da sich psychische Belastungen oft unbemerkt entwickeln und dann mit einmal zuschlagen, ist es wichtig, regelmäßig Mitarbeitergespräche zu führen. Sie helfen, unübliche Verhaltensänderungen zu bemerken.

Zudem ist die verpflichtende Gefährdungsbeurteilung ein arbeitsschutzrechtliches Instrument in der Fürsorgepflicht, um Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz zu ermitteln. Um eine umfassende und nachvollziehbare Einschätzung möglicher psychischer Gefährdungen am Arbeitsplatz vorzunehmen, müssen die Verantwortlichen alle zur Verfügung stehenden Informationen über die Tätigkeitsanforderung mit einbeziehen.
Wichtig zu beachten ist, dass es bei dieser Evaluation nicht um die Leistung und Arbeitszufriedenheit von einzelnen Beschäftigten geht. Stattdessen stehen die Arbeitsbedingungen im Fokus.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umfasst auch die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen.

Ob auf Papier oder digital am Computer — Hauptsache der Arbeitgeber dokumentiert die Untersuchungsergebnisse der Gefährdungsbeurteilung schriftlich. Darüber hinaus muss er auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die festgestellten Belastungen am Arbeitsplatz beseitigen oder wenigstens senken.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umfasst auch die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen.

Ob auf Papier oder digital am Computer — Hauptsache der Arbeitgeber dokumentiert die Untersuchungsergebnisse der Gefährdungsbeurteilung schriftlich. Darüber hinaus muss er auch im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die festgestellten Belastungen am Arbeitsplatz beseitigen oder wenigstens senken.

Wie oft das Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchführen muss, ist gesetzlich nicht festgelegt. Auch allgemeingültige Grenzwerte, ab wann der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen muss, sind bei solchen Belastungen nicht gegeben. Darum sollten die Beauftragten die Beurteilung regelmäßig wiederholen und kontinuierlich anpassen. Prinzipiell ist es empfehlenswert, die Gefährdungsbeurteilung bei der Neueinrichtung eines Arbeitsplatzes zu wiederholen.

Grundsätzlich sollte eine Erneuerung vorgenommen werden, wenn

  • Arbeitsplätze neu eingerichtet werden.
  • sich grundlegende betriebliche Gegebenheiten ändern.
  • psychische Erkrankungen vermehrt auftreten.

Somit erfasst der Unternehmer regelmäßig die arbeitsplatzspezifischen Gefahren und kann daraus erforderliche Schutzmaßnahmen ableiten und rechtzeitig ergreifen. Aufgrund der Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber für die Erstellung der psychischen Gefährdungsbeurteilung verantwortlich. Jedoch kann er dem Betriebsrat, externen Fachkräften oder der Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) die Aufgabe übertragen. Allerding müssen sich die beauftragten Personen auf dem Gebiet auskennen, um die Gefährdungen einschätzen und Maßnahmen ableiten zu können.  

Psychischen Erkrankungen zuvorkommen – mit Hilfe der digitalen Gefährdungsbeurteilung

Es gibt keine genaue Vorgabe welche Form die Gefährdungsbeurteilung haben soll. Neben praktischen Mustervorlagen und Checklisten eignen sich auch Software-Lösungen. Mit Hilfe digitaler Tools können Arbeitgeber ihrer Fürsorgepflicht einfacher nachkommen, indem sie alle Aufgaben zentral in einem System erfassen, umsetzen und dokumentieren. Das ist ein großer Vorteil, weil die Verantwortlichen somit bei der Vielzahl an zu erledigenden Aufgaben spürbar entlastet werden.

Mit der Compliance-Management-Software iManSys können Sie mit Hilfe von Checklisten psychische Belastungsfaktoren beurteilen. Da diese schwer ersichtlich und messbar sind, beinhaltet unsere Software-Lösung den wissenschaftlich geprüften Fragebogen „Copenhagen Psychosocial Questionnaire“ (COPSOQ). Mit Hilfe dessen können Teilnehmende einfach und anonym Fragen zur Arbeitssituation und Wohlbefinden beantworten. Im Anschluss haben die Verantwortlichen die Möglichkeit, anhand der Ergebnisse nötige Maßnahmen abzuleiten und den jeweiligen Beschäftigten zuzuweisen. Wie Sie sowohl physische als auch psychische Gefahren in der Gefährdungsbeurteilung erfassen, erfahren Sie in unserem kostenfreien Whitepaper.

Weiterführende Infos:

BKK Dachverband (2019): Psychisch krank im Job. Online verfügbar unter https://www.bkk-dachverband.de/publikationen/selbsthilfe-broschueren/psychisch-krank-im-job (Abgerufen am 10.07.2023).

DAK Gesundheit (2023): DAK Psychreport 2023: Erneuter Höchststand bei psychisch bedingten Fehltagen im Job. Online verfügbar unter https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/psychreport-2023_32618#rtf-anchor-downloads-psychreport-2023-ergebnis-prasentation (Abgerufen am 12.07.2023).

Der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber wird im Text das generische Maskulinum verwendet – gemeint sind damit immer alle Geschlechter.

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